interview

Erfolgsfaktor: Digitale Vernetzung

Die Digitalisierung schreitet auch in der Schweißfertigung unaufhaltsam voran. Immer mehr Unternehmen aus der Branche bieten bereits konkrete Lösungen zum Thema Smart Factory. Wie es Fronius gelingt, diesen technologischen Wandel gemeinsam mit seinen Kunden verantwortungsvoll und erfolgreich umzusetzen, verrät uns Dr. Gerhard Posch, Member of Technology Publication Board – R&D. Das Gespräch führte Ing. Norbert Novotny, x-technik

Eine ´smarte Fertigung von der Stange´ wird es nicht geben. Die wird jedes Unternehmen individuell für sich konzipieren müssen – und dafür braucht es digitales Know-how vor Ort. 

Dr. Gerhard Posch, Member of Technology Publication Board - R&D bei Fronius

Eine ´smarte Fertigung von der Stange´ wird es nicht geben. Die wird jedes Unternehmen individuell für sich konzipieren müssen – und dafür braucht es digitales Know-how vor Ort. Dr. Gerhard Posch, Member of Technology Publication Board - R&D bei Fronius

Jeder spricht vom digitalem Wandel und von Industrie 4.0. Was ist das eigentliche Ziel einer „smarten“ Fertigung?

Der digitale Wandel ist ja eigentlich kein neues Phänomen – zeigen Sie mir eine technische Anlage, welche heute in der Produktion eingesetzt wird und noch ohne integrierte Schaltkreise und Mikroprozessoren das Auslangen findet. Sicherlich ist der Grad der Anlagendigitalisierung je nach Einsatzgebiet noch unterschiedlich, aber eigentlich ist der digitale Wandel in den spezifischen Anlagen schon sehr weit fortgeschritten. Die Thematik, die aktuell im Vordergrund steht und sich eigentlich hinter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ verbirgt, ist, wie man diese „singulär digitalisierten“ Anlagen miteinander digital vernetzen kann, um zu einer smarten Fertigung zu kommen. Das Ziel sollte ja dabei sein, dass eine Fertigungsanlage die eigenen Prozesse automatisch optimiert, um so die Fehlerraten zu reduzieren und gleichzeitig möglichst viele Informationen an den nächsten Fertigungsschritt weitergibt. Dies ermöglicht in weiterer Folge, die dort stattfindenden Optimierungsprozesse zu unterstützen.

Inwieweit sind Betriebe aus Österreich bereits darauf vorbereitet bzw. welche Voraussetzungen müssen diese dafür noch schaffen?

Zu den Voraussetzungen, die dafür notwendig sind, zählen natürlich primär die Fähigkeit der Anlagen, sich generell vernetzen zu lassen. Aber natürlich auch die Verfügbarkeit von (innerbetrieblichen) digitalen Netzwerken, welche offen für diese digitalen Anwendungen sind. Darüber hinaus das Vorhandensein entsprechender IT-Strukturen, die eine ausreichende IT-Sicherheit und Stabilität gewährleisten. Das Wichtigste wird aber sein, dass ein digitaler Mindset im Unternehmen gebildet wird, da die smarte Fertigung für jedes Unternehmen anders aussehen und unterschiedliche Ausprägungsformen haben wird. Die „smarte Fertigung von der Stange“ wird es nicht geben, die wird jedes Unternehmen für sich konzipieren müssen – und dafür braucht es digitales Know-how vor Ort.

Wieviel Industrie 4.0 steckt bereits in den Produkten von Fronius?

Bereits 1998 hat Fronius die Stromquelle zu 100 % digitalisiert. Der nächste Schritt, der mittlerweile abgeschlossen ist, war die signifikante Erhöhung der maschineninternen, digitalen Kommunikationsgeschwindigkeit durch neue Bussysteme, leistungsstärkere Mikroprozessoren und ein leistungsfähiges Betriebssystem, sodass sogar nun auch der Schweißprozess in Echtzeit abbildbar und regelbar ist.

In unseren neuesten Produkten sind bereits die aktuellen am Markt verfügbaren digitalen Technologien implementiert und wir fokussieren immer stärker auf Vernetzung und Softwareentwicklung, um die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Das Ziel ist, dass unsere Stromquellen so einfach wie ein normales Notebook in eine digitale Netzwerkumgebung über „Plug and Play“ implementiert und Prozessdaten über das Netzwerk möglichst hochauflösend verschickt werden können. Aktuell arbeiten wir daran, über intelligente Software unsere Kernprozesse in Echtzeit weiter zu optimieren und über die Vernetzung mit anderen Stromquellen, aber auch speziellen Peripheriegeräten, wie zum Beispiel Schweißhelme, zusätzlichen Nutzen zu generieren.

Was sind aus ihrer Sicht die großen Vorteile der Digitalisierung?

Der große Vorteil der Digitalisierung liegt sicher darin, dass die für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe notwendigen Informationen digital verarbeitbar vorliegen und dementsprechend auch mittels Software über Mikroprozessoren bearbeitet werden können. Durch die Vernetzung können darüber hinaus Informationen, die aus der gesamtheitlichen Betrachtung entstehen, im Optimierungsprozess berücksichtigt werden, welche bei einer singulären digitalen Anlage nicht erfasst werden, da sie für deren Aufgaben vordergründig nicht relevant sind.

Welche Dienstleistungen bietet Fronius rund um Industrie 4.0? Ich denke da an Condition Monitoring, Diagnose, Präventiv-Wartung, etc.

Industrie 4.0 wird viele neue Dienstleistungen ermöglichen. Auch wir haben einen neuen Bereich geschaffen, der sich dezidiert mit dem „Digital Business“ auseinandersetzt – sei es im Bereich anwendungsfokussierter Schweißkennliniensoftware, Datendokumentation/Datenmanagement, oder auch im präventiven Verschleißteilmanagement. Die Grenzen, die wir aktuell aber erleben, liegen in der Verfügbarkeit und im Willen zum Austausch „externer“ Daten, also jener Daten, die nicht von unseren Geräten generiert wurden. So ist ein präventives Verschleißteilmanagement zum Beispiel eines Schweißbrenners ohne Koppelung an Daten aus der nachfolgenden Schweißnahtqualitätsprüfung nicht vollständig erschließbar. Hier muss sich erst das dafür notwendige Verständnis beim Kunden ändern.

Fast jeder Arbeitsplatz ist in Zukunft von der Digitalisierung betroffen. Welche Auswirkungen wird das für Mitarbeiter haben?

Das Aufgabengebiet der Mitarbeiter wird sich zweifelsfrei ändern. Aber die Menschheit hat schnell gelernt, mit dem Smartphone umzugehen und die Vorteile zu nutzen. Ich glaube auch nicht, dass die Menschen dadurch weniger zu tun haben – es stehen ihnen nun nur sehr viel mehr Möglichkeiten offen. Und das sehe ich in der digitalen Fertigung ebenso. Es wird sich die manuelle Arbeit reduzieren, parallel dazu werden aber deutlich mehr Informationen über den Produktionsprozess und das Bauteil generiert werden, welche erst verstanden, interpretiert und sinnvoll genützt werden müssen. Das wird die zukünftige Herausforderung an die Mitarbeiter werden. Was ist Ihre Vision von Industrie 4.0 im Bereich der Schweißtechnik? Wie sieht ihrer Meinung nach eine smarte Fertigung (Metallverarbeitung) in 10 bis 15 Jahren aus?

Ich bin nun seit über 20 Jahren in den verschiedensten Bereichen der Schweißindustrie tätig, ich lehre auch an Universitäten und FHs und bin in internationalen Gremien tätig: Die Schweißtechnik ist ein Querschnittsbereich über die komplexesten technischen Themen: Metallurgie, Schweißprozesswissen, Physik der Wärmequellen (Lichtbogen, Laser, Elektronenstrahl), Automatisierung, Werkstoffprüfung, Standardisierung, Dateninterpretation, um nur einige zu nennen. Eine vollständige „digitale“ Durchdringung dieses Themenkomplexes in diesem Zeitraum halte ich für nicht realistisch. Es wird aber sehr wohl interessante, auf Software basierende Lösungen geben, die dem Schweißer, vor allem aber dem Schweißtechnologen, sein Arbeitsleben wesentlich erleichtern werden. Sie werden ihm helfen, die richtige Auswahl zu treffen, den Schweißprozess verständlicher zu machen, logistische Aufgaben zu übernehmen, Daten leichter zu interpretieren sowie den Schweißprozess zu überwachen und zu regeln.

Es wird zu einem interessanten Phänomen kommen: es werden eine Unzahl sogenannter „Apps“ für die jeweiligen Aufgaben verfügbar sein, billigere und teurere, von Start-ups oder renommierten Softwareschmieden – eine Garantie für eine „perfekte Naht“ wird aber keines abgeben können. Zu viele Einflussfaktoren sind in Betracht zu ziehen. Der erfahrene Schweißtechnologe wird noch lange die Schlüsselposition für eine wirtschaftliche, qualitativ hochwertige Schweißung bleiben.

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