anwenderreportage
igm RT 330 S: Roboter verkürzt Schweißzeit um 40 Prozent
Komplette Schienenfahrzeug-Drehgestelle in einer Aufspannung schweißen: Bereits vor mehreren Jahren installierte Neuweiler die bis heute größte Schweißroboteranlage der Schweiz. Schon nach kurzer Zeit stellte sie ihre Leistungsfähigkeit so überzeugend unter Beweis, dass schon drei Jahre später ein zweites igm-Robotersystem in der Werkshalle seinen Betrieb aufnahm. Spezialität des Unternehmens sind groß dimensionierte, technisch anspruchsvolle Sonderprodukte, oft in kleinen Stückzahlen, was kein Problem für die beiden Schweißroboter darstellt, denn mit ihrer unkomplizierten Programmierung bieten sie selbst bei Losgröße eins alle Voraussetzungen für hochgradige Wirtschaftlichkeit. Autor: Martin Wohlgenannt, Technischer Fachredakteur
Die Roboteranlage schweißt komplette Drehgestellrahmen für Eisenbahnlokomotiven in einer Aufspannung.
Infos zum Anwender
Die Neuweiler AG ist ein Anlagebauer und ein Zulieferbetrieb für große Schweißkonstruktionen aus Stahl, Edelstahl und Aluminium mit einer präzisen mechanischen Endbearbeitung.
www.neuweiler-ag.ch
Speziell das automatisierte Schweißen großformatiger Werkstücke plante die Neuweiler AG in Kreuzlingen am Bodensee, als sie sich vor etwa sieben Jahren für einen igm Schweißroboter des Typs RT 330 S entschied. Er arbeitet synchron mit einem L-Manipulator RWM 2 10.000 RCi und einem Gegenlager RFP 10.000A 1. Beide haben eine Tragkraft von je 10 t – zusammen können sie also bis zu 20 t schwere Werkstücke manipulieren. Die Roboteranlage ist zusätzlich mit einem High-Speed L-Manipulator vom Typ RWM 2 1.000 RCi für Kleinteile ausgerüstet. Eine Grube im Maschinenfundament ermöglicht es, auch sehr ausladend dimensionierte Werkstücke ohne Hubwerk zu schwenken. Laut Christian Neuweiler, CEO des Unternehmens, handelt es sich hier um die größte Schweißroboteranlage der Schweiz. Nach aktuellen Informationen dürfte sie bisher in ganz Europa die einzige sein, die komplette Drehgestellrahmen für Eisenbahnlokomotiven in einer Aufspannung schweißt.
Die 3.382 mm langen, 2.760 mm breiten und über eine Tonne schweren Drehgestellrahmen werden in geheftetem Zustand mittels Aufspannvorrichtung auf dem L-Manipulator fixiert. Durch die simultanen Bewegungen der Manipulatoren und des Roboters können fast alle Nähte in optimaler Wannenlage geschweißt werden. Eine ganze Reihe von Nähten befindet sich an schwer zugänglichen Stellen. So etwa schweißt der speziell gekröpfte Brenner die Rundnaht am Verbindungsrohr der Langträgerbauteile in einem Zug durch, obwohl er nur 55 mm Platz hat. Dass es dabei zu keinen Verwicklungen der Medienzuleitungen am Roboterarm kommt, ist darauf zurückzuführen, dass das vorderste Robotergelenk als Hohlwelle gestaltet ist. Durch diese Hohlwelle wird das gesamte Medien-Schlauchpaket inkl. Steuer- und Sensorkabel sowie Kühlwasser geführt. Die Medienführung durch die Hohlwelle erlaubt bis zu zwei volle Umdrehungen des Brenners am Roboter-Handgelenk.
Vor der Einführung des Roboters wurden die Drehgestellrahmen von Hand geschweißt, wofür 20 Stunden für je einen Handschweißer pro Drehgestell erforderlich waren. Der Roboter hingegen benötigt nur noch zwölf Stunden. Mit der um 40 % verkürzten Schweißzeit leistet er einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Produktivität und Wirtschaftlichkeit. Durch die einfache, für Schweißfachleute nahezu selbsterklärende Programmierung der Steuerung lässt sich die Anlage innerhalb kurzer Zeit für das Schweißen anderer Werkstücke umrüsten. Damit erfüllt sie ausschlaggebende Voraussetzungen für die Bearbeitung von Kleinserien oder Einzelstücken.
In diesen vorteilhaften Eigenschaften sah Neuweiler schwerwiegende Gründe, bereits drei Jahre später eine zweite igm Schweißroboteranlage zu installieren. In dieser arbeiten ein Sechsachsroboter des Typs RTi 496 S sowie ein L-Manipulator und ein Gegenlager, die mit je 2 t Tragkraft 4 t schwere Werkstücke manipulieren. Das Längsschlittensystem, auf dem der Roboter bewegt wird, ermöglicht derzeit das Schweißen bis zu 9 m langer Werkstücke. Es besteht die Möglichkeit, nachträglich weitere 6 m lange Schlittenmodule anzufügen und dann entsprechend längere Werkstücke zu fertigen.
Auch sehr ausladend dimensionierte Werkstücke lassen sich mit dem Manipulator ohne Hubwerk schwenken.
Hoch anspruchsvolle Werkstücke
Obwohl auf den Anlagen auch Aluminium geschweißt werden könnte, wurde diese Möglichkeit noch nicht genutzt. Bisher wurden auf den beiden Anlagen ausschließlich Werkstücke aus Baustählen und Edelstahllegierungen geschweißt – mit MIG/MAG-Verfahren und fast nur mit Sprühlichtbogen, also im oberen Leistungsbereich. Immer wieder beeindrucken die Schweißkonstruktionen mit respektablen Ausmaßen, beachtlichen Gewichten und hohem technischem Anspruch. Sie bewähren sich in der Umwelttechnik, im Güterverkehr, im Wasserbau, in der Energietechnik und in mitunter höchst speziellen Einsatzgebieten. Der Großteil der Werkstücke ist prüfpflichtig nach internationalen Normstandards wie ISO-9001, DIN/EN/ISO 3834-2, EN 15085-2 CL1, AD2000, TÜV/SVTI und DIN 18800. Ebenso wie bei den Drehgestellrahmen werden bei den meisten Werkstücken alle Schweißnähte einer lückenlosen Sichtprüfung (VT bzw. Visual Testing) sowie einer Magnetstreuflussprüfung (MT bzw. Magnet Testing) unterzogen.
Hohe Anforderungen stellte z. B. das Schweißen von Druckbehältern für Gasturbinen-Testanlagen aus Hastelloy. Diese zwar sehr teure, aber dafür sehr korrosionsbeständige Nickel-Molybdän-Edelstahllegierung ist auch bei hohen Temperaturen sehr widerstandsfähig gegen Spalt-, Loch- und Spannungsrisse.
Große mediale Aufmerksamkeit erfuhr das Unternehmen vor einigen Monaten durch die Fertigung eines 7 m langen 60-bar-Druckbehälters mit 25 mm Wandstärke und 2,5 m Durchmesser für eine Windkanalanlage. Bei vollem Druck befindet sich fast eine Tonne Luft im Behälter, die auf Knopfdruck mit vierfacher Schallgeschwindigkeit durch den Windkanal schießt. Ein weiteres der großformatigen Werkstücke war ein 4,5 t schweres Statorgehäuse für Stromgeneratoren mit einem Durchmesser von 3,8 m und einer Höhe von 1,6 m. Die Roboter schweißen auch Autoklaven und andere Bauteile für thermische Prozesse, z. B. für Anlagen zur Desinfektion medizinischer Abfälle. Bei komplex gestalteten Behältern erweist es sich immer wieder von Vorteil, dass der Roboter in der Lage ist, bis zu 3 m tief in einem Rohr von 800 mm Durchmesser die Innennähte zu schweißen.
Gleiche Bedienoberfläche bei beiden Robotern
Entsprechend dem für sie vorgesehenen Fertigungsspektrum unterscheiden sich die beiden Roboteranlagen in mehreren Komponenten. So etwa sind die achsgesteuerten Längsschlittensysteme und die Quer- und Vertikalschlitten unterschiedlich dimensioniert, an dessen unterem Ende die Roboter hängend montiert sind.
Wie bereits erwähnt, ist der RTi 330 S mit L-Manipulator und Gegenlager für besonders schwere Werkstücke ausgelegt. Beim RTi 496 S arbeitet der L-Manipulator mit einer auf einer Verschiebbahn beliebig positionierbaren Wendevorrichtung zusammen und eignet sich auch für die Bearbeitung längerer Werkstücke. Bei beiden Anlagen können die Steuerungen außer deren sechs Roboterachsen bis zu zehn externe NC-Achsen ansteuern. Durch ihre hängende Position am unteren Ende des Vertikalschlittens verfügen die Roboter über weit ausgreifende Arbeitsbereiche und sind in der Lage, tief in kastenförmige Werkstücke einzutauchen. Die Roboter selbst unterscheiden sich durch die Länge ihrer Arme und damit ihre effektiven Arbeitsbereiche, die beim RTi 496 S mit 3.800 mm, beim RTi 330 S mit 3.000 mm definiert sind.
Dem Anlagenbediener steht das etwa 1,3 kg wiegende Programmierhandgerät K5 mit Farbdisplay zur Verfügung, von dem aus er auf alle relevanten Funktionen Zugriff hat. Wie die Praktiker bei Neuweiler versichern, ist die Programmierung per Handgerät für Schweißfachleute komfortabel und nahezu selbsterklärend. In der Endphase der Programmierung bzw. zu Beginn des eigentlichen Schweißprozesses kommt die Gasdüse des Brenners als taktiler Sensor zum Einsatz. Sie stellt durch Suchfahrten die genaue Lage der Schweißnahtfugen fest und verschiebt bei Abweichungen von Referenzpunkten automatisch die nachfolgenden Programmteile um den gemessenen Betrag. Um diese Sensorfunktion ausführen zu können, liegt an der Gasdüse eine ungefährliche Steuerspannung an, die sich jedes Mal entlädt, wenn die Gasdüse das Werkstück berührt. Diese Entladung löst in der Steuerung die erforderlichen Rechenoperationen aus.
Während des Schweißens arbeitet die Sensorik des Lichtbogennahtsuchens. Die Steuerung wertet die Schweißstromschwankungen beim Pendeln des Schweißbrenners aus und veranlasst bei Toleranzabweichungen in der Schweißfugenposition die nötigen Bahnkorrekturen. Sie erkennt gleich nach dem Zünden des Lichtbogens innerhalb weniger Hübe die markanten Kriterien der Nahtfuge und führt danach den Brenner in die genaue Position. Danach führt die Steuerung den Brenner dem tatsächlichen Nahtverlauf entlang. Ist die Naht mehrlagig, berücksichtigt die Steuerung die bei den vorher geschweißten Lagen gewonnenen Daten. Je nach Nahtgeometrie legt der Programmierer fest, bei wie vielen Zwischenpunkten die Werte gespeichert und beim Schweißen der nächsten Lagen berücksichtigt werden. Der Anlagenbediener kann also auch bei langen Nahtstrecken und großen Abweichungen den Verlauf der Nahtfuge in einem einzigen Schritt programmieren. Diese Möglichkeit verkürzt die Programmierzeit erheblich.
Die Puls-Stromquellen der beiden Roboter regeln die Schweißleistung im gesamten Leistungsbereich der Anlage kontinuierlich durch eine einzige Leitspannung. Damit wird stets mit optimierten Parametern geschweißt. In den schwanenhalsförmig geformten Schweißbrennern sorgt die Zwangskontaktierung unter allen Arbeitsbedingungen und Verschleißzuständen für gleichmäßigen und konstanten Stromübergang.
Für die pneumatische Innenreinigung sorgt ein Druckverstärker, der Verunreinigungen mit 15-bar-Druckluftstößen aus dem Brenner bläst. Obwohl Inverter-Schweißstromquellen die Spritzerbildung sehr reduzieren, können sich besonders in Zwangspositionen immer noch Schweißgutspritzer am Brenner festsetzen. Sie stören die Strömung des Schutzgases und behindern bei entsprechender Häufung sogar die Drahtführung. Direkt am Robotersockel installierte, mechanische Brennerreinigungsstationen schaffen dagegen Abhilfe. Der Roboter fährt die Brennerreinigungsstation dann an, wenn das Werkstück gedreht wird oder das Schlittensystem den Roboter in eine andere Position fährt. Auf diese Weise entstehen durch die Brennerreinigung keine unproduktiven Nebenzeiten. Ist der Brenner in der Reinigungsstation, wird er zunächst von speziell geformten Klemmbacken zentrisch fixiert. Danach beseitigen zwei rotierende Messer die Schweißspritzer an der Innenseite der Gasdüse sowie an der Außenseite des Kontaktrohres und des Düsenstocks. Die Intervalle für die Innen- und Außenreinigung der Brenner sind programmierbar.
Schnell, einfach flexibel
Die Antwort auf die Frage, weshalb sich das Unternehmen gerade für igm Schweißroboter entschieden hat, bringt Wilhelm Kowatsch, Werkstattleiter bei Neuweiler, mit vier Statements auf den Punkt: Schnelligkeit und Zuverlässigkeit, einfache Bedienung und schnelles Umrüsten auf unterschiedliche Werkstücke. Er weist darauf hin, dass das Pflichtenheft für den Roboterlieferanten komplizierte Werkstücke enthält, welches trotz teilweise sehr beengten Platzverhältnissen sehr hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit fordert. Bei kleineren Stückzahlen und Einzelstücke punkten die igm Anlagen durch schnelle Umrüstung und unkomplizierte Umprogrammierung. Besonders in der Endphase des Programmierens ist es äußerst komfortabel, dass die Roboter über eine Sicherheitsabschaltung als Kollisionsschutz verfügen. Der Werkstättenleiter weist auch auf die hohe Verfügbarkeit der beiden Roboterschweißanlagen hin. In Spitzenzeiten sind sie nahezu rund um die Uhr im Einsatz und schweißen auch während Geisterschichten, bei denen kein Anlagenbediener anwesend ist. Lediglich ein Mal im Jahr werden die beiden Anlagen für die Wartung zwei bis drei Tage lang außer Betrieb genommen.
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