interview

Von der Maschine zum intelligenten Prozess

Auf den Einsatz von Smartphones und digitalen Anwendungen haben wir uns im Alltag weitreichend eingelassen. Mit Industrie 4.0 wächst nun ein Trend, der die Digitalisierung auch in industriellen Bereichen vorantreibt. Bystronic Entwicklungschef Dr. Jürgen Hohnhaus, CTO und Member of Management Committee, Bystronic Group, spricht im Interview über den Nutzen und die Vision dieser Entwicklung.

«Ziel von Industrie 4.0 ist die digitale Durchdringung industrieller Geschäftsbereiche, um die Produktion damit effizienter zu machen.» (Bilder: Manuel Stettler)

«Ziel von Industrie 4.0 ist die digitale Durchdringung industrieller Geschäftsbereiche, um die Produktion damit effizienter zu machen.» (Bilder: Manuel Stettler)

Dr. Jürgen Hohnhaus
CTO und Member of Management Committee, Bystronic Group

„Neben unseren Werkzeugmaschinen werden wir immer mehr auch zum Anbieter von Service-Diensten. Wir gehen damit von der Maschine zum intelligenten Prozess.

Herr Hohnhaus, Bystronic hat zuletzt den Faserlaser ByStar Fiber lanciert. Wieviel Industrie 4.0 steckt in diesem Produkt?

Eine ganze Menge. Die ByStar Fiber ist „Industry 4.0 ready“. Unser Faserlaser arbeitet mit einer komplett neuen Steuerung. Damit können wir die Schneidprozesse auf der Maschine mit einer bisher nicht erreichten Sensorik messen und auswerten. Wir erhalten dabei Daten, die uns in Zukunft helfen, das Laserschneiden intelligent zu machen.

«Ein Laser soll sich in Zukunft selbst kontrollieren und steuern. Einen ersten Schritt dafür haben wir bereits gemacht. Unsere neuesten Produkte sind ‹Industry 4.0 ready›.»

«Ein Laser soll sich in Zukunft selbst kontrollieren und steuern. Einen ersten Schritt dafür haben wir bereits gemacht. Unsere neuesten Produkte sind ‹Industry 4.0 ready›.»

Wie lange beschäftigt sich Bystronic schon mit dem Thema Industrie 4.0?

Seit 2010. Zu dieser Zeit gab es den Begriff Industrie 4.0 noch nicht. Wir haben uns damals gefragt: Welche Internet-Technologien müssen wir auf unsere Maschinen bringen? Und was erreichen unsere Kunden damit in Zukunft?

«Kunden erhalten mit Industrie 4.0 mehr Transparenz in ihrer Produktion. Sie sehen, wann und wo ihre Aufträge laufen. Und in welchem Stadium sich die Fertigungsteile befinden.»

«Kunden erhalten mit Industrie 4.0 mehr Transparenz in ihrer Produktion. Sie sehen, wann und wo ihre Aufträge laufen. Und in welchem Stadium sich die Fertigungsteile befinden.»

Zu welchem Ergebnis sind Sie dabei gekommen?

Das erste Produkt, das aus diesen Überlegungen heraus entstanden ist, war der Observer. Heute haben unsere Kunden damit über Smartphone und Tablet jederzeit und ortsunabhängig Zugriff auf den Status ihrer Schneid- und Biegemaschinen.

Woher kam damals der Impuls, sich mit Internet-Technologien zu beschäftigen?

Der Anstoß kam aus der Tatsache heraus, dass jeder von uns im privaten Umfeld bereits mit Smartphones und digitalen Anwendungen vertraut war. Hier bestand über den Nutzen dieser Lösungen kaum Zweifel. Also lag es nahe, darüber nachzudenken, wie wir diesen Nutzen auf die industrielle Blechbearbeitung übertragen.

In den Medien erfährt man im Moment viel zum Thema Industrie 4.0. Jeder legt dieses Thema etwas anders aus. Was versteht Bystronic darunter?

Ziel von Industrie 4.0 ist die digitale Durchdringung industrieller Geschäftsbereiche, um die Produktion damit effizienter zu machen. In unserem Fall ist das die Blechbearbeitung. Menschen, Maschinen und Produktionsteile, die in diesen Prozess involviert sind, werden vernetzt. Zu dieser Vernetzung kommt künstliche Intelligenz hinzu. So entstehen intelligente Netzwerke, in denen sich Maschinen in Zukunft selbst anlernen und optimieren. Der Mensch nimmt an diesen Netzwerken teil. Er kann jederzeit und überall Informationen zu seinen Maschinen und Teilen abrufen, Situationen bewerten und eingreifen, wenn es notwendig ist.

Das heißt, diese Netzwerke schaffen mehr Transparenz?

Genau. Kunden erhalten mit Industrie 4.0 mehr Transparenz in ihrer Produktion. Sie sehen, wann und wo ihre Aufträge laufen. In welchem Stadium sich die Fertigungsteile befinden. Und noch etwas entsteht mit Industrie 4.0: mehr Flexibilität. Kunden können neben großen Stückzahlen konstanter Teile auch kleine Stückzahlen individueller Teile sehr schnell anbieten und herstellen. Damit produzieren sie in Zukunft neben Massenprodukten auch Einzelteile und Kleinserien konkurrenzfähig. Sie können mit intelligenter Systemunterstützung ihre Abläufe viel einfacher umstellen und so schneller auf die Anforderungen ihrer Kunden reagieren.

Innerhalb von Industrie 4.0 gibt es verschiedene Aspekte. Welche Schwerpunkte setzt Bystronic?

Ich sehe vier Schwerpunkte. Der erste ist Automation, die erweitert wird mit künstlicher Intelligenz. Daran schließt sich die Vernetzung der intelligenten Maschinen mit den Produktionsteilen an, zu einer digital erschlossenen Fabrik, der Smart Factory. Der dritte Punkt ist Big Data. Die Frage also, wie wir in Zukunft mit Daten sicher umgehen und wie wir sie sinnvoll auswerten. Das vierte Thema sind neue Servicelösungen, die durch die erweiterten Möglichkeiten der Datenauswertung entstehen.

Welche Chancen bieten sich damit für die Prozesse der Kunden?

Zum Beispiel können unsere Kunden in Zukunft ihre ganze Prozesskette schon im Vorfeld betrachten. Planungs- und Steuerungssysteme für die Produktion unterstützen sie dabei, ihre Ressourcen entsprechend zu koordinieren. Hinzu kommen Simulationen, die dabei helfen, geplante Prozesse vorab zu bewerten.

Geht es mit Industrie 4.0 nur darum, eine Smart Factory aufzubauen oder sind auch punktuelle Lösungen bei Anwendern denkbar?

Wir befinden uns mit Industrie 4.0 in einer Evolution – d. h., der Aufbau neuer Lösungen geschieht schrittweise. Der erste Schritt für Anwender besteht darin, Maschinen zu installieren, die bereit sind für die digitale Vernetzung. Damit wird es möglich, je nach Kundenbedürfnis, verschiedene Softwarelösungen anzubinden. Diese können nach und nach ergänzt werden. Wie Puzzleteile, die irgendwann ein Gesamtbild ergeben, die Smart Factory. Ein punktueller Einstieg zu mehr Prozesstransparenz wäre z. B. der Observer.

Wo beginnt Industrie 4.0 für Kunden von Bystronic?

Es beginnt bereits an dem Punkt, wo unsere Kunden ihren Kunden ein Angebot erstellen, um einen bestimmten Auftrag zu erhalten. Für ein erfolgreiches Angebot braucht es viel Know-how. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen eine Anfrage. Ein Musterteil oder eine Skizze liegt vor. Jetzt gilt es, schnell einzuschätzen: Welche Prozessschritte sind nötig? Wie lange braucht die Herstellung? Und was darf das Teil kosten?

Was bietet Bystronic heute schon an, um Kunden hier zu unterstützen?

Wir können die Prozesskosten und Herstellungszeit von Teilen heute bereits simulieren. Damit definieren Kunden die Kosten für einen Auftrag vorab und können so ein Angebot abgeben. In Zukunft wollen wir diese Simulationsdaten digital erfassen, um sie anschließend automatisch zu einem Angebot zu verarbeiten. Das wird den Angebotsprozess unserer Kunden noch einmal beschleunigen.

Okay, stellen wir uns vor, der Kunde erhält den Auftrag. Was passiert jetzt?

Dann wären wir bei der Schneidvorbereitung. Hier geht es darum, die bestellten Teile möglichst effizient aus der Blechtafel zu schneiden. Hierfür bietet Bystronic einen einzigartigen Cloud-Service an, den ByOptimizer. Dieser Service gruppiert Schneidteile platzsparend auf dem Blech und er plant die optimale Schneidstrategie mit schnellstmöglicher Teilebearbeitung. Der Dienst kann abonniert werden, je nach Schneidbedarf.

Jetzt sind wir mittendrin im Schneidprozess. Was ist heute im Laserschneiden möglich, das ohne die Impulse von Industrie 4.0 noch nicht möglich war?

Der reine Schneidprozess an sich verändert sich erstmal nicht. Aber alle Daten, die auf einer Laserschneidanlage während des Schneidens entstehen, können wir jetzt auswerten. Kunden können damit sehen, ob ihre Maschine gut arbeitet oder nicht. Verändert sich die Schneidqualität, können sie sofort feststellen, woran das liegt. Das ist neu.

Die Laserteile des Kunden sind nun geschnitten. Der nächste Schritt ist das Biegen. Welche Innovationen bietet Bystronic hier?

Wir übertragen gerade die Funktion Detection Eye, die wir bereits erfolgreich auf unseren Lasern einsetzen, auf das Biegen. Diese Funktion erkennt die Werkzeuge an der Oberwange der Abkantpresse. Sie stellt fest, ob die richtigen Werkzeuge vom Bediener ausgewählt wurden und korrekt eingesetzt sind. Wenn nicht, gibt die Funktion eine Meldung und schlägt dem Bediener eine Korrektur vor.

Gibt es bei Kunden ein großes Bedürfnis nach dieser Funktion?

Absolut. Unser neues System vereinfacht die Arbeit des Bedieners und verhindert Fehler im Biegeprozess. Die Funktion erkennt bereits vor dem Biegen, ob es zu Fehlern kommen kann. Damit verhindern wir falsch gebogene Teile und Schäden am Werkzeug.

Lassen Sie uns noch ein wenig weiter in die Zukunft schauen. Wie werden sich die Lösungen von Bystronic in absehbarer Zeit verändern?

Neben unseren Werkzeugmaschinen werden wir immer mehr auch zum Anbieter von Service-Diensten. Wir gehen damit von der Maschine zum intelligenten Prozess. Diese Transformation hat bereits begonnen – z. B. mit den Angeboten ByOptimizer, Observer und anderen Softwarelösungen. Diese Dienste ergänzen die Prozessschritte unserer Kunden und sie erweitern das Leistungsspektrum unserer Maschinen.

Wird es in Zukunft grundlegend neuartige Produkte geben?

Großes Potential für neuartige Produkte liegt im Bereich Software. Ein Laser soll sich in Zukunft selbst kontrollieren und steuern. Einen ersten Schritt dafür haben wir bereits gemacht. Unsere neuesten Produkte sind „Industry 4.0 ready“. Jetzt bringen wir im nächsten Schritt über Software intelligente Funktionen in den Prozess.

Welche Bereiche der Kunden werden sich damit am stärksten verändern?

Vor allem die Logistik und das Auftragsmanagement im Backoffice. Mit den digitalen Lösungen werden die Abläufe in diesen Bereichen transparenter, planbarer und damit auch schlanker. Dadurch vermeiden unsere Kunden in Zukunft unnötige Arbeitsschritte.

Noch ein Ausblick auf die EuroBLECH, die sich in diesem Jahr um das Thema Industrie 4.0 drehen wird. Was dürfen Kunden bei Bystronic erwarten?

Bystronic geht in diesem Jahr mit etwas Einzigartigem an die EuroBLECH. Wir richten uns damit auf das Thema Industrie 4.0 aus. Aber nicht mit Insellösungen, wir werden unseren Kunden eine vernetzte, intelligente Gesamtlösung für erfolgreiche Blechbearbeitung präsentieren.

Halle 12, Stand B66

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