Fronius HTW: Roboter arbeiten Hand in Hand

Fronius Solar Energy ist Pionier der ersten Stunde. Die Geschichte beginnt im Jahr 1992 und nimmt schnell Fahrt auf. Schon bald nach dem Start wird der erste Wechselrichter Fronius Sunrise auf den Markt gebracht. Seitdem werden immer wieder neue Produkte und Weiterentwicklungen präsentiert. Der neueste Wechselrichter heißt Tauro. Für den kommerziellen Einsatz bestimmt, hält er jedem Wetter stand. Die Produktion des Wechselrichters erfolgt in Oberösterreich am Fronius-Standort in Sattledt. Geschweißt werden Gehäuse und Flügeltüren in einer speziell für diesen Job entwickelten hochmodernen „Handling-to-Welding”-Roboterschweißzelle von Fronius Welding Automation.

Die Schweißaufgaben erfordern perfekt synchronisierte Simultanbewegungen der Handling- und Schweißroboter von Fanuc.  (Bilder: Fronius)

Die Schweißaufgaben erfordern perfekt synchronisierte Simultanbewegungen der Handling- und Schweißroboter von Fanuc. (Bilder: Fronius)

Christian Kraus
Gruppenleiter in der Blechfertigung bei Fronius

„Der Einsatz der RFID-Technologie verschafft uns die Möglichkeit, Bauteile völlig unabhängig von Form, Größe und Stückzahl zu schweißen. Losgröße 1 oder Serienfertigung – unsere Handling-to-Welding-Roboterschweißzelle kann beides.“

Sein doppelwandiges, aktiv gekühltes Gehäuse macht den Tauro fit für den Einsatz im Freien. Egal ob Regen, Hitze oder direkte Sonnenbestrahlung – der Wechselrichter hält dagegen und erledigt seinen Job zu 100 %. Von zukunftsorientierten Solar-Experten entworfen, erfüllt er die internationale Schutzart IP65. Produkte dieser Art sind gegen Berührung, Strahlwasser aus beliebigem Winkel und Staubeintritt geschützt. „Die Herausforderungen beim Schweißen des Aluminiumgehäuses sind wegen der unterschiedlichen Blechstärken enorm“, erläutert Jasmin Gross, Fronius Solar Energy. „Mit der Fronius Welding Automation haben wir den perfekten Partner im eigenen Haus.“

Tauro-Installation in Griechenland.

Tauro-Installation in Griechenland.

Anton Leithenmair
Leiter der Welding Automation bei Fronius

„Sämtliche Roboterbewegungen und Schweißfolgen programmieren und simulieren wir mit Fronius Pathfinder offline auf einem digitalen Zwilling. So erkennen wir eventuelle Störkonturen bereits im Vorfeld. Auf diese Weise sparen wir wertvolle Zeit und Kosten. Offline-Programmieren verkürzt das Roboter-Teachen in der Schweißzelle um viele Stunden.“

Erste Schritte am Digitalen Zwilling

Am Fronius-Standort im oberösterreichischen Sattledt erfolgt die Produktion des Wechselrichters. Geschweißt werden Gehäuse und Flügeltüren in einer speziell für diesen Job entwickelten hochmodernen „Handling-to-Welding”-Roboterschweißzelle. „Sämtliche Roboterbewegungen und Schweißfolgen programmieren und simulieren wir mit Fronius Pathfinder offline, also getrennt von der Anlage auf einem Digitalen Zwilling“, erklärt Anton Leithenmair, Leiter der Welding Automation bei Fronius. „So erkennen wir eventuelle Störkonturen bereits im Vorfeld. Das Gleiche gilt für Achslimits und Brenneranstellungen. Auch hier können wir rechtzeitig eingreifen, nicht erst während der ersten Schweißproben. Sobald die Schweißfolgen programmiert sind, übergibt Pathfinder die Daten dem Postprozessor, der sie in die Sprache der Fanuc-Roboter übersetzt. Auf diese Weise sparen wir wertvolle Zeit und Kosten. Offline-Programmieren verkürzt das Roboter-Teachen in der Schweißzelle um viele Stunden.”

Digitaler Zwilling: Schweißsimulation mit Fronius Pathfinder.

Digitaler Zwilling: Schweißsimulation mit Fronius Pathfinder.

Minutengenaue Workflow-Planung

Vor Beginn der Produktion werden die Tauro-Verkaufsaufträge im Enterprise Ressource Planning-System BAAN angelegt. Sie bilden die Basis für den sogenannten Material-Ressourcen-Planungslauf (MRP-Lauf). Dort werden alle Produktionsaufträge für Gehäuse und Flügeltüren erzeugt. Im nächsten Schritt wird ein Produktionsdatum zugewiesen. Die darauffolgende Feinplanung übernimmt das Manufacturing Execution System (MES). Jeder Auftrag wird minutengenau geplant, einem freien Auftragskorridor zugewiesen und gelistet. Ein einzelner Auftrag kann sowohl eine als auch mehrere Komponenten enthalten. Produktionsaufträge für Gehäuse enthalten immer ein Stück – für Flügeltüren sind es zwölf.

Bestücken der Bauteilschleuse mit dem Rüstwagen.

Bestücken der Bauteilschleuse mit dem Rüstwagen.

Perfekt abgestimmt: Vorheften, Rüsten, Schweißen

Herausfordernd ist vor allem das Schweißen der Tauro-Gehäuse, die IP65 erfüllen müssen. „Bevor wir die Wechselrichtergehäuse in der Roboterschweißzelle fügen, werden die einzelnen Blechelemente in Position gebracht und händisch vorgeheftet“, führt Christian Kraus, Gruppenleiter in der Blechfertigung, aus. „Die Heftpunkte schweißen wir manuell mit dem MAG-Prozess. Leider erlaubt das keinen Austausch von digitalen Signalen. Deshalb wird dieser Arbeitsschritt händisch gebucht.“

Dies geschieht beim entsprechenden Auftrag am Terminal der Anlage. Nach erfolgter Buchung weiß die HMI-T21-Systemsteuerung der Schweißzelle, dass die Heftarbeiten beendet sind. Die Schweißanlage ist bereit für den nächsten Arbeitsschritt – das Schweißen. Wird eine Buchung vergessen, erscheint folgende Fehlermeldung: „Voriger Arbeitsgang nicht gebucht.” In diesem Fall kann der Schweißvorgang nicht gestartet werden. Die HMI-T21 ist die zentrale Steuereinheit. Intuitiv bedienbar steuert sie alle Komponenten der Roboterschweißzelle und ermöglicht eine dreidimensionale Real-Time-Visualisierung aller Schweißfolgen.

Unmittelbar nach dem Buchen wird das Gehäuse auf den Rüstwagen gelegt, gespannt und in die Schleuse gefahren. Ist die Schleuse quittiert, startet die Anlage den nächsten Job: Das für das Positionieren und Schweißen zuständige Roboterprogramm wird mithilfe eines Radio Frequency Identification (RFID)-Chips an der Spannvorrichtung ausgewählt. „Egal, welches Bauteil wir in die Schleuse legen, der RFID-Chip weiß, welches Schweißprogramm zum Einsatz kommt“, ergänzt Kraus. „Zum Beispiel können wir Schleuse eins mit einem Wechselrichtergehäuse belegen, während wir über die Bauteilzuführung in Schleuse zwei eine Flügeltüre schweißen. Und umgekehrt. Der Einsatz der RFID-Technologie verschafft uns die Möglichkeit, Bauteile völlig unabhängig von Form, Größe und Stückzahl zu schweißen. Losgröße 1 oder Serienfertigung – unsere Handling-to-Welding-Roboterschweißzelle kann beides.”

Der Handling-Roboter Fanuc R-2000iD/210FH greift das Bauteil und führt es in die Schweißzelle.

Der Handling-Roboter Fanuc R-2000iD/210FH greift das Bauteil und führt es in die Schweißzelle.

Ein Roboter schweißt, der andere positioniert

Sobald der Schweißvorgang gestartet wurde, greift der Fanuc Handling-Roboter R-2000iD/210FH das Bauteil und führt es in die Schweißzelle. Für ihn ist das Wechselrichtergehäuse beinahe ein Leichtgewicht. Bei einer Reichweite von 2,6 Metern beträgt die Traglast 210 Kilogramm, wogegen das Aluminiumgehäuse samt Spannvorrichtung nicht mehr als 140 kg wiegt. Ist das Tauro-Gehäuse in der Schweißzelle eingetroffen, wird ein Data Matrix Code (DMC) mit Tintenstrahltechnik auf den Gehäuseboden gedruckt.

Perfektes Zusammenspiel: Während der Fanuc-Schweißroboter ARC Mate 100iD seinen Job erledigt und Schweißnähte fügt, bringt der Handling-Roboter das Bauteil ideal in Position.

Perfektes Zusammenspiel: Während der Fanuc-Schweißroboter ARC Mate 100iD seinen Job erledigt und Schweißnähte fügt, bringt der Handling-Roboter das Bauteil ideal in Position.

Jede Schweißnaht wird dokumentiert

Der DMC enthält die Seriennummern der einzelnen Tauro-Gehäuse. Sie sind mit den Schweißdaten verknüpft, die von der Datenmanagement-Software Fronius WeldCube aufgezeichnet und dokumentiert werden. So ist am Ende jede einzelne Schweißnaht zu 100 % nachvollziehbar. Für Fronius und für alle Kunden. Ist der DMC gedruckt, startet der eigentliche Schweißprozess. Jetzt wissen beide Roboter genau, was zu tun ist. Die notwendigen Informationen erhalten sie, wie bereits erwähnt, vom kleinen RFID-Chip an der Spannvorrichtung. Er sendet per Nearfield Communication (NFC) ein Signal, das die Artikelnummer zur Systemsteuerung enthält.

Bei jedem Gehäuse wird eine Dichtheitsprüfung nach IP65 mit einer Unterdruck-Prüfanlage durchgeführt.

Bei jedem Gehäuse wird eine Dichtheitsprüfung nach IP65 mit einer Unterdruck-Prüfanlage durchgeführt.

96 Schweißnähte auf 5,5 Meter verteilt

Während der Fanuc-Schweißroboter ARC Mate 100iD seinen Job erledigt und pro Gehäuse 5,5 Meter Alu-Blech mit insgesamt 96 Schweißnähten fügt, bringt es der Handling-Roboter ideal in Position. Teilweise erfordern die Schweißnähte perfekt synchronisierte Simultanbewegungen beider Roboter. „Als Schweißprozess kommt vorwiegend Pulse Multi Control Ripple Drive zum Einsatz“, führt Leithenmair weiter aus. „PMC Ripple Drive erlaubt eine präzise Einstellung des Wärmeeintrags und eignet sich hervorragend für das Fügen von unterschiedlich starken Blechen.”

Printen des Data Matrix Codes.

Printen des Data Matrix Codes.

Schön geschuppte, nahezu spritzerfreie Schweißnähte

Genauer betrachtet ist PMC Ripple Drive eine spezielle Ausprägung des PMC-Prozesses. Kennzeichnend dafür ist ein zyklischer Prozesswechsel zwischen PMC und einer reversierenden Drahtbewegung mit Hilfe einer sogenannten Push-Pull-Antriebseinheit. Bestens für das automatisierte Schweißen geeignet, schweißt man mit PMC deutlich schneller als mit WIG. Dabei liefert der Prozess die gleichen schön geschuppten, nahezu spritzerfreien Schweißnähte. Einige kurze Schweißnähte werden mit dem Cold Metal Transfer Mix-Prozess (CMT Mix) geschweißt. CMT Mix ist ein Mischprozess zwischen CMT- und PMC-Schweißprozesszyklen. Heißere PMC-Prozesszyklen werden hier anwendungsspezifisch mit kälteren CMT-Zyklen gemischt und resultieren ebenfalls in hochqualitativen, nahezu spritzerfreien Schweißnähten.

Als Schweißzusatz kommt ein 1,2 mm dicker Aluminium-Silizium-Draht zum Einsatz, der unter Argon-Schutzgas verschweißt wird. Schweißprozesse, Draht und Gas sind in den Systeminformationen zum Schweißauftrag enthalten. Ist der 17,5-minütige Schweißzyklus beendet, legt der Handling-Roboter das Bauteil in der Schleuse ab und die Schweißzelle sendet ein Signal an das MES-System. Das Bauteil wird gebucht, die Information ans BAAN weitergeleitet und ein Lager zugewiesen. Noch während die eine Schleuse entleert wird, kann in der anderen bereits der nächste Job starten.

Beim Vorheften der Blechwände kommt das MAG-Verfahren zum Einsatz .

Beim Vorheften der Blechwände kommt das MAG-Verfahren zum Einsatz .

Alles unter Kontrolle – Predictive Maintenance

Das MES ist eine Datenbank mit einer Vielzahl von Daten. Neben dem Auftragsmanagement werden auch Maschinenzustände, Taktzeiten, Störungen sowie die Werte der Unterdruckprüfung, die am Ende der gesamten Schweißarbeiten erfolgt, aufgezeichnet. Auch Wartungsfenster können mithilfe des MES festgelegt werden. Wenn zum Beispiel durchschnittlich alle 100 Betriebsstunden eine Störung auftritt, lässt sich alle 99 Stunden eine Wartung planen.

Christian Kraus, Teamleiter Blechtechnik bei Fronius

Christian Kraus, Teamleiter Blechtechnik bei Fronius

Anton Leithenmair, Leiter Fronius Welding Automation

Anton Leithenmair, Leiter Fronius Welding Automation

IP65 setzt perfekte Schweißnähte voraus

Die wenigen Gehäusedetails, die der Roboter nicht optimal erreicht, werden händisch nachgeschweißt. Hier kommt der für das Aluminiumschweißen prädestinierte WIG-Prozess zum Einsatz. Am Ende der Schweißarbeiten werden eventuelle Nahtüberhöhungen abgeschliffen, die Schweißnähte mit Farbeindringprüfmittel bestrichen und auf Schweißfehler geprüft. Dabei dringt die Prüfflüssigkeit infolge der Kapillarwirkung in jede Unregelmäßigkeit des Werkstoffes ein. Anschließend wird das Gehäuse gereinigt und eine Entwicklerschicht aufgebracht. Sie erzeugt eine Gegenkapillarität und macht Poren und Haarrisse sichtbar. Voraussetzung ist eine sorgfältige und gründliche Vorgehensweise nach DIN 54152 der Materialprüfungsverordnung.

Nach Schleifprozess und Schweißnahtprüfung wird jedes einzelne Gehäuse auf Dichtheit geprüft. Fronius hat speziell dafür eine eigene Prüfanlage entwickelt. Diese erzeugt im Inneren des Wechselrichtergehäuses einen Unterdruck von 60 Millibar, der über einen genau definierten Zeitraum zu halten ist. Fällt der Druck während dieses Zeitraums um weniger als 1,8 Millibar, ist das Gehäuse zu 100 % dicht und erfüllt die Schutzart IP65. Die Prüfung mit Luft simuliert dabei den Worst Case, einen Platzregen bei praller Sonneneinstrahlung. Sie ist wesentlich genauer als der IP55-Test mit Strahlwasser, das seitlich mit einem Wasserschlauch aufgespritzt wird. Ist die Dichtheitsprüfung erfolgreich absolviert, wird das Ergebnis seriennummerbezogen in WeldCube gespeichert und eine vollständige Nachverfolgung (Traceability) gewährleistet. Das Wechselrichtergehäuse ist bereit für die nun folgende Pulverbeschichtung. Am Ende der Fertigungskette nach dem Assembly steht ein kommerzieller Wechselrichter, der allen Witterungsverhältnissen standhält.

Filtern

Suchbegriff

Unterkategorie

Firmen

Inhaltstyp

Firmentyp

Land