anwenderreportage

Jigless Roboterschweißen der nächsten Generation

Industrie 4.0 konforme Schweißzelle für Losgröße 1: Die Idee vom vollautomatischen Schweißen unterschiedlicher Bauteile just-in-time in Losgröße 1 ohne Rüstaufwand in bedienerlosen Schichten beschäftigt Produktionstechniker rund um den Globus. Bei Doka, dem österreichischen Weltmarktführer für Schalungslösungen ist diese Vision bereits gelebte Realität. Autor: DI Ralf Högel / Freier Fachredakteur

Beim Bau der Tverlandsbrua zwischen Løding und Vikan in der Region Nordland(Norwegen) sorgten maßgeschneiderte Doka-Schalungslösungen für einen raschen und sicheren Baufortschritt. Zu den besonderen Herausforderungen des Projekts zählte der Wellengang im Fjord: Bis zu 10 m hohe Wogen stellten Techniker und Baustellenteam vor spannende Aufgaben. (Bild: Doka)

Beim Bau der Tverlandsbrua zwischen Løding und Vikan in der Region Nordland(Norwegen) sorgten maßgeschneiderte Doka-Schalungslösungen für einen raschen und sicheren Baufortschritt. Zu den besonderen Herausforderungen des Projekts zählte der Wellengang im Fjord: Bis zu 10 m hohe Wogen stellten Techniker und Baustellenteam vor spannende Aufgaben. (Bild: Doka)

Erwin Schwarzl
Produktionstechniker bei Doka.

„Mit dem vorrichtungslosen Roboterschweißen sind wir je nach Bauteil bis zu dreimal schneller als beim Handschweißen. Zudem erreichen wir eine unglaubliche Flexibilität, da wir in bedienerlosen Schichten auftragsbezogen in Losgröße 1 produzieren können. “

Doka mit Sitz im niederösterreichischen Amstetten beschäftigt heute mehr als 6.000 Mitarbeiter weltweit und verfügt über 160 Vertriebs- und Logistikstandorte in über 70 Ländern. Das 1958 gegründete Unternehmen stellt Schalungslösungen auf dem letzten Stand der Technik bereit. Beeindruckende Bauprojekte wie das Burj Khalifa, mit 828 m das höchste Gebäude der Welt, das Three World Trade Center in New York oder der Lotte World Tower in Seoul entstanden mit innovativer Doka-Schalungstechnik.

Keine Frage, die Produkte des Unternehmens setzen technologisch Maßstäbe – und diese Maxime gilt auch für die Produktion. Deshalb sollte auch das zeitaufwändige Handschweißen bestimmter Bauteile für die unterschiedlichsten Schalungssysteme ab sofort der Vergangenheit angehören. Die Investition in eine vollautomatische Roboterschweißzelle nach dem neuesten Stand der Technik sollte die Lösung bringen.

Das übergeordnete Ziel für dieses Investitionsvorhaben erläutert Erwin Schwarzl, Produktionstechniker bei Doka: „Wir wollten die Vielzahl an manuell zu schweißenden Einzelteilen wirtschaftlicher produzieren. Ziel ist es, von kostenintensiver Lagerhaltung auf just-in-time-Produktion diverser Bauteile umzustellen. Diese Aufgabe soll eine Jigless-Roboterzelle übernehmen, die dabei unterschiedliche Produktionsaufträge bis Losgröße 1 erledigen muss – und das auch in bedienerlosen Schichten.“

Beim vorrichtungslosen Schweißen führt ein Roboter das Werkstück, während der andere das Fügen übernimmt. (Bilder; DI Ralf Högel)

Beim vorrichtungslosen Schweißen führt ein Roboter das Werkstück, während der andere das Fügen übernimmt. (Bilder; DI Ralf Högel)

Sepp Hautzinger
Sales Manager Office Austria bei Yaskawa Europe

„Jigless-Zellen sind wahre Flexibilitätsgaranten, aber nur dann, wenn sie optimal konzipiert sind, die dafür geeigneten Premiumroboter zum Einsatz kommen und der Anwender über das entsprechende Know-how verfügt.“

Vorrichtungsloses Schweißen mit vielen Vorteilen

Das vorrichtungslose Roboterschweißen bietet allein durch den Wegfall lästiger Spann- und Heftvorgänge sowie durch die Möglichkeit des autonomen Schweißens in bedienerlosen Schichten signifikante Vorteile, stellt aber auch hohe Anforderungen an die Robotik sowie an das Know-how von Lieferanten und Anwendern. „Jigless gehört zu den besonders anspruchsvollen Disziplinen in der Automatisierungstechnik. Jigless-Zellen sind wahre Flexibilitätsgaranten, aber nur dann, wenn sie optimal konzipiert sind, die dafür geeigneten Premiumroboter zum Einsatz kommen und der Anwender über das entsprechende Know-how verfügt“, weiß Sepp Hautzinger, Sales Manager Office Austria der Yaskawa Europe GmbH, aus Erfahrung.

Diese Einstiegsvoraussetzung war bei Doka hinreichend erfüllt. Die Österreicher setzen bereits seit 1980 Roboter ein. Heute arbeiten im Werk Amstetten weit über 100 Roboter in der Produktion. An Robotik-Erfahrung mangelt es hier sicherlich nicht, wie bereits die Herangehensweise bei diesem Projekt zeigt: Erst nach einer ausgiebigen Sondierungsphase, in der die Doka-Mannschaft einige Referenzanlagen mit Robotern der wichtigsten Premiumhersteller unter die Lupe nahm, fiel die Entscheidung. „Yaskawa konnte uns einige Jigless-Applikationen präsentieren, die ihre Bewährungsproben erfolgreich bestanden. Da waren wir uns sicher, den richtigen Partner für die Realisierung einer technologisch führenden Schweißanlage gefunden zu haben. Zudem hatten wir bereits Erfahrung mit Yaskawa-Robotern im Haus“, betont Schwarzl.

Noch vor der Investition in die neue Zelle prüften die Doka-Produktionsmannschaft und die Yaskawa Schweißexperten gemeinsam das komplette Spektrum der anstehenden Schweißaufgaben auf dessen Jigless-Tauglichkeit, denn nicht jedes Bauteil ist frei im Raum nur durch Positionierung mit einem Handlingroboter schweißbar. Vereinfacht dargestellt sprechen kleine Toleranzen der zu verschweißenden Bauteile sowie ein geringer zu erwartender Verzug für das vorrichtungslose Schweißen, während im Gegenzug große fertigungstechnische Abweichungen von Sollkonturen sowie besonders schwierige Fügekonstellationen das Verfahren deutlich aufwändiger oder gar unmöglich machen können.

Das laserbasierte Kamerasystem MotoSense von Yaskawa macht eine absolute Bauteilpositionierung überflüssig.

Das laserbasierte Kamerasystem MotoSense von Yaskawa macht eine absolute Bauteilpositionierung überflüssig.

Infos zum Anwender

Doka zählt zu den weltweit führenden Unternehmen in der Entwicklung, Herstellung und im Vertrieb von Schalungstechnik für alle Bereiche am Bau. Mit sieben topausgestatteten Vertriebs- und Logistikstandorten in Österreich garantiert das Unternehmen die rasche und professionelle Bereitstellung von Schalungsmaterial und technischem Support. Global gesehen beschäftigt Doka heute mehr als 6.000 Mitarbeiter und verfügt über 160 Vertriebs- und Logistikstandorte in über 70 Ländern.

Jigless-Roboterzelle mit allen technischen Raffinessen

Nachdem die Machbarkeit außer Frage stand, ging es an die Konzeption der Hightech-Zelle. „Die Industrie 4.0 Jigless-Zelle bei Doka zählt zu den modernsten Roboterschweißanlagen weltweit“, verspricht Hautzinger. Im Einsatz sind die aktuellste Robotersteuerung DX 200 von Yaskawa, die hochmoderne Fronius-Schweißstromquelle samt neuem, vollautomatischen Brennerhalswechselsystem, das laserbasierte Nahtverfolgungssystem MotoSense von Yaskawa, ein applikationsspezifisch modifiziertes Kardex-Shuttle-Zuführsystem, ein innovatives, vollautomatisiertes Greiferwechselsystem für den Handlingroboter sowie eine übergeordnete SPS der neuesten Generation – mehr Hightech geht derzeit nicht.

Der Blick auf das Anlagenlayout verrät die Handschrift kundiger Schweiß- und Automatisierungsexperten. Das fängt bei der Zuführung an, die sowohl über ein Rundtaktsystem mit 16 Werkstückträgern als auch über ein Tower-Shuttlesystem von Kardex mit 60 Werkstückträgern erfolgen kann. Während das Rundtaktsystem vorwiegend für die Produktion kleiner bis mittlerer Serien gedacht ist, macht sich das Shuttlesystem in bedienerlosen Schichten bezahlt. Mit seinen 60 Plätzen garantiert es einen autonomen Anlagenbetrieb von weit mehr als einer Schicht und erlaubt dabei das Schweißen von Bauteilen in Losgröße 1.

Perfekte Synchronisation von Handling- und Schweißroboter bei der Bauteilvermessung mit MotoSense.

Perfekte Synchronisation von Handling- und Schweißroboter bei der Bauteilvermessung mit MotoSense.

Zwei Roboter arbeiten Hand in Hand

Chefs in der Zelle sind der Handlingroboter Motoman MH280 II und der Schweißroboter MH24 – beide hochgerüstet mit neuester Technik. Die beiden Sechsachser demonstrieren in der Zelle Jigless-Schweißen der Extraklasse. Während der Handhabungsroboter das zu verschweißende Bauteil exakt positioniert, übernimmt der Schweißroboter das Fügen.

Dabei sind auf Roboterseite optimales Bahnverhalten und hohe Präzision gefragt, während die DX200-Steuerung für die Synchronisation und Koordination der beiden Sechsachser sorgt. Der große Arbeitsradius von knapp 2,5 m beim Handhabungsroboter und 1,73 m beim Schweißroboter stellen sicher, dass alle Positionen problemlos erreicht werden und sämtliche Schweißungen in optimaler Wannenlage erfolgen.

Der Motoman Schweißroboter beim vollautomatischen Brennerhalswechsel an der Fronius-Station.

Der Motoman Schweißroboter beim vollautomatischen Brennerhalswechsel an der Fronius-Station.

Nahtverfolgung in Echtzeit

Für perfekte Schweißnähte ist der MH24 mit dem kürzlich präsentierten Kamerasystem MotoSense ausgestattet. Dieses laserbasierte Visionsystem ermöglicht dem Roboter die Nahterkennung und Nahtverfolgung in Echtzeit. Die Integration ist denkbar einfach und erfolgt über eine direkte Schnittstelle zur Yaskawa DX200-Steuerung. Mit diesem System ist eine absolute Bauteilpositionierung nicht mehr erforderlich. Es eignet sich somit hervorragend für Jigless-Anwendungen. Einen wesentlichen Beitrag zur hohen Qualität der Schweißnähte leistet die Fronius Schweißstromquelle TPS500i, wie Schwarzl betont: „Die neue Schweißstromquelle sorgt für einen wesentlich besseren Einbrand und signifikant höhere Schweißgeschwindigkeiten. Das wirkt sich positiv auf die Prozesszeiten aus.“

Damit neben den Prozesszeiten auch die Nebenzeiten so kurz wie möglich ausfallen, sind sowohl der Handling- als auch der Schweißroboter mit automatischen Wechselsystemen ausgestattet. Dabei holt sich der Handlingroboter selbstständig den gerade benötigten Greifer vom in der Zelle integrierten Greiferbahnhof. Ähnliches gilt für den Schweißroboter: Er ist so programmiert, dass er zyklisch den gerade verwendeten gegen einen neuen Brennerhals an der Wechselstation tauscht. Damit ist ein störungsfreier Betrieb mit maximaler Schweißqualität auch in den bedienerlosen Schichten gewährleistet.

Doka-Produktionstechniker Erwin Schwarzl, Yaskawa Schweißexperte Sepp Hautzinger und Programmierer Thomas Auer (v.l.n.r.) haben gut lachen: Die Jigless-Zelle erfüllt alle Erwartungen.

Doka-Produktionstechniker Erwin Schwarzl, Yaskawa Schweißexperte Sepp Hautzinger und Programmierer Thomas Auer (v.l.n.r.) haben gut lachen: Die Jigless-Zelle erfüllt alle Erwartungen.

Der Motoman MH280 mit 280 kg Traglast beim Ablegen eines Bauteils auf dem Rundtaktfördersystem. Im Hintergrund ist der Kardex-Shuttle für die Zuführung von bis zu 60 Bauteilen in Losgröße 1 zu sehen.

Der Motoman MH280 mit 280 kg Traglast beim Ablegen eines Bauteils auf dem Rundtaktfördersystem. Im Hintergrund ist der Kardex-Shuttle für die Zuführung von bis zu 60 Bauteilen in Losgröße 1 zu sehen.

Alle Erwartungen erfüllt

Trotz der Vielzahl digital vernetzter Hightech-Komponenten gemäß Industrie 4.0 erreicht die Anlage nicht nur eine hohe Verfügbarkeit, sie setzt auch Maßstäbe hinsichtlich Bedienfreundlichkeit. Der Bediener an der Zelle muss im Wesentlichen nur Teile einlegen, das richtige Programm wählen und die Fertigteile wieder entnehmen, welches prozessparallel durchgeführt werden kann.

Anspruchsvoller gestaltet sich die Programmierung der Anlage mit den beiden kooperierenden Robotern, welche die erfahrene Doka-Mannschaft aber problemlos beherrscht. Selbstverständlich steht auch ein leistungsfähiges Offlineprogrammiersystem samt 3D-Simulation mit Kollisionserkennung zur Verfügung. In der Robotersteuerung können einmal geschriebene Schweißprogramme für bis zu 1.000 Komponenten gespeichert und bei Bedarf einfach wieder abgerufen werden.

Für Produktionstechniker Schwarzl erfüllt die Jigless-Schweißzelle die in sie gesetzten Erwartungen mit Bravour: „Mit dem vorrichtungslosen Roboterschweißen sind wir je nach Bauteil bis zu dreimal schneller als beim Handschweißen. Zudem erreichen wir eine unglaubliche Flexibilität, da wir in bedienerlosen Schichten auftragsbezogen in Losgröße 1 produzieren können. Wirtschaftlich ist das ein Volltreffer, da teure Lagerhaltung künftig weitgehend entfällt und die Herstellkosten ebenfalls sinken.“ Da wundert es nicht, dass man bei Doka bereits heute über Investitionen in weitere Jigless-Roboterzellen nachdenkt.

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