interview
Virtuelles Roboterschweißen
Fertigung in Losgröße 1 im Trend: Auch in der Robotik spielt die Digitalisierung und die Einführung neuer, softwarebasierter Dienste und Dienstleistungen eine entscheidende Rolle. Mit ABB Ability wurde nun ein neues Digitalangebot geschaffen, das das gesamte ABB-Portfolio an digitalen Lösungen und Dienstleistungen über alle Kundensegmente hinweg zusammenführt. Grund genug, um mit Manfred Gloser und Martin Moosbacher von ABB Österreich über die fortschreitende Digitalisierung und weitere Trends in der Robotik zu sprechen. Das Interview führte Ing. Norbert Novotny / x-technik
Manfred Gloser, Manager Robotics and Motion bei ABB Österreich
Manfred Gloser
Manager Robotics and Motion bei ABB Österreich
„ABB verfolgt den Ansatz, mit dem Kunden zusammen zuerst mögliche Probleme zu identifizieren, dann zu untersuchen, ob zur Lösung der Probleme bereits genügend Daten vorliegen, um dann eine wertschöpfende Lösung zu entwickeln.“
Welche digitalen Dienstleistungen bietet ABB seinen Kunden?
Ing. Martin Moosbacher, Senior Sales Manager bei ABB Robotics Österreich
Ing. Martin Moosbacher
Senior Sales Manager bei ABB Robotics Österreich
„Eine virtuelle Inbetriebnahme ermöglicht umfangreiche Tests und somit eine Optimierung der Parameter vor der realen Montage der Produktionsanlage. Dies gewährleistet eine Anlagenplanung ohne Unterbrechung des laufenden Betriebs sowie eine problemfreie Inbetriebnahme beim ersten Anlauf.“
Gloser:
Einer der Grundgedanken von Industrie 4.0 ist es, dass alle Dinge im industriellen Umfeld miteinander vernetzt werden. Dies hat zur Folge, dass wesentlich mehr Daten generiert und potenziell zur wertsteigernden Auswertung nutzbar sein werden. Jedoch gibt es heutzutage bereits viele Daten in industriellen Betrieben, wie beispielsweise in Leit-, Produktionsplanungs- oder ERP-Systemen. Aus ABB-Sicht kann es nicht der Ansatz sein, alle diese Daten planlos miteinander zu koppeln und dadurch auf eine plötzliche wertschöpfende Einsicht zu hoffen. Vielmehr verfolgt ABB den Ansatz, mit dem Kunden zusammen zuerst mögliche Probleme zu identifizieren, dann zu untersuchen, ob zur Lösung der Probleme bereits genügend Daten vorliegen, um dann eine wertschöpfende Lösung zu entwickeln.
Um das Potenzial von Daten und Informationen voll auszuschöpfen, die auf Geräte-, System-, und Unternehmensebene gesammelt werden, haben wir unsere integrierte Cloud-Plattform des neuen Digitalangebotes ABB Ability auf Microsofts intelligenter Cloud Azure standardisiert. Ziel der strategischen Partnerschaft mit Microsoft ist es, zukunftsweisende digitale Lösungen auf Basis einer integrierten Cloud-Plattform zu entwickeln. Dabei kann ABB auf neue wie auch auf seine bereits bestehenden digitalen Komplettlösungen bauen. Ein erfolgreiches Beispiel von digitalen, daten-basierten Diensten von ABB sind die Connected Services für Roboter.
Können Sie näher darauf eingehen?
Für eine optimierte Teilelogistik in Verbindung mit einer just-in-time Produktion ist der Einsatz modernster Fertigungstechnologien erforderlich. Beim Heiztechnikspezialisten Hargassner schafft man das in eindrucksvoller Manier, in dem man am Firmenstandort im oberösterreichischen Weng eine Vollautomatisierung der Fertigung von der Blechbearbeitung bis zu den Montagelinien realisiert hat. Dabei sind auch 16 Roboter von ABB in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen tätig
Gloser:
ABB bietet bereits seit 2007 Remote Service-Lösungen und Dienstleistungen zur Ferndiagnose und zustandsbasierten Fernwartung von Robotern an. Connected Services sind eine Weiterentwicklung der Remote Services und tragen der Tatsache Rechnung, dass immer mehr „Dinge“ und „Services“ in das Internet of Things, Services and People (IoTSP) integriert werden. Am Roboter werden dabei Daten vorhandener Sensoren, beispielsweise Motorströme, erfasst und an einen ABB Server übertragen. Darauf basierend kann der Zustand des einzelnen Roboters von ABB Experten analysiert und Warnungen vor zu erwartenden Fehlern, beispielsweise durch Verschleiß, generiert werden. Darüber hinaus kann der Kunde über die Website MyRobot einen Überblick über seine gesamte installierte Roboterflotte gewinnen und wertvolle Informationen zu den jeweils eingesetzten Robotern bis hin zu Berichten über vorbeugende Instandhaltung und durchgeführte Serviceeinsätze jederzeit und von überall abrufen.
Die durchschnittlichen Reparaturzeiten sowie die durch Wartungsaktivitäten anfallenden Kosten werden dadurch signifikant reduziert. Die vorhandene Infrastruktur bietet nun die Möglichkeit, auf Basis der Flottendaten weitere wertschöpfende datenbasierte Dienste zu implementieren, beispielsweise zum Flottenmanagement, zur Verschleißvorhersage oder zur Produktionsoptimierung.
Welche digitalen Lösungen sind vor allem bei Kunden mit Roboterschweißanlagen gefragt?
Moosbacher:
Wir unterstützen immer mehr Kunden dabei, ihre Roboterschweißanlagen zunächst virtuell zu bauen, bevor die reale Bauphase beginnt. Mit unserer 4D-Fabriksimulation kombinieren wir unser Expertenwissen über den Fabrikbetrieb mit der Intelligenz von ABB Ability Systemen wie RobotStudio, um die Inbetriebnahme zu beschleunigen. RobotStudio kann dabei eine exakte Kopie der Anlage im virtuellen Raum simulieren, einschließlich automatisierter Abläufe, sodass alle technischen Fragen im Voraus gelöst werden können. So kann die Roboteranlage quasi schon vor ihrem Bau probeweise in Betrieb genommen werden.
Eine virtuelle Inbetriebnahme ermöglicht umfangreiche Tests und somit eine Optimierung der Parameter vor der realen Montage der Produktionsanlage. Dies gewährleistet eine Anlagenplanung ohne Unterbrechung des laufenden Betriebs sowie eine problemfreie Inbetriebnahme beim ersten Anlauf. Zudem sind die Testsoftware und die Anwendungssoftware identisch, sodass keine Umprogrammierung erforderlich ist.
Welche Trends sehen Sie noch beim Roboterschweißen?
Moosbacher:
Es ist nach wie vor so, dass beim Roboterschweißen Anlagen mit gleichbleibenden Produkten und hohen Stückzahlen den Markt dominieren. Als Trend sehe ich allerdings schon Anwendungen mit Fertigung in Losgröße 1. Als Beispiel hierfür möchte ich eine realisierte Anlage zur Stahlträgerfertigung nennen, bei der es kein fix vorgegebenes Roboterprogramm gibt, sondern die CAD-Daten eines jeden einzelnen Trägers inklusive Anbauteile als Basis dafür dienen, um automatisch einen Roboterablauf zur Fertigung zu generieren. Jeder Träger kann dabei anders aussehen, lediglich die Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Trägerlänge von 4 bis 16 Meter Länge sowie die Breite von 250 bis 1.500 mm sind vordefiniert. Für eine optimale Prozessqualität werden entsprechend intelligente Visualisierungs- und Sensorsysteme eingesetzt, von der automatischen Anpassung und Korrektur von Schweißparametern, einem automatischen Toleranzausgleich bis hin zu Lokalisierungs- und Fehlererkennungssystemen – und das in Echtzeit.
Und wenn wir von Fertigung in Losgröße 1 sprechen, ist natürlich auch das vorrichtungslose, sogenannte Jigless-Schweißen zu nennen. Dabei teilen sich mehrere, zusammenarbeitende Roboter das Schweißen und die Handhabung des zu schweißenden Werkstücks untereinander auf. Da man ohne Vorrichtungen auskommt, kann man bei Änderungen in der Schweißfertigung sehr schnell und wesentlich flexibler reagieren. Zudem erreicht man mit dem Jigless-Schweißen Freiheitsgrade, die man sonst nicht hat.
Was noch am Anfang steht, jedoch in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen könnte, ist das Schweißen als additives Verfahren einzusetzen – sozusagen im 3D-Druck mit dem Schweißroboter ein komplettes Produkt zu fertigen. Der Vorteil besteht darin, beim schichtweisen Aufbau des Produkts auch unterschiedliche Materialien und somit beispielsweise verschleißfestere Schichten einzuarbeiten. Da das Teil nicht aus dem Vollen gefertigt werden muss, reduziert sich zudem die Bearbeitungszeit.
Auch im digitalen Zeitalter steht die Robotik also vor sehr interessanten Herausforderungen.
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